Ich war bei der Black-Lives-Matter-Demo 2020 und fand es richtig geil, dass so viele Schwarze auf einem Fleck waren! Und bei den Reden ist mir aufgefallen, dass alle erzählt haben wie ihre Eltern gesagt haben, dass sie sich in der Schule mehr anstrengen müssen und wie sie ihr kulturelles Essen zuhause hatten usw. Ich saß da und dachte, ich hatte das zu Hause gar nicht. Ich bin sowohl in meiner Adoptivfamilie als auch meiner leiblichen Familie ganz allein mit meiner Erfahrung, das sind einfach andere Dimensionen.
Ich habe quasi erfahren, dass ich Schwarz bin, als ich erwachsen war. Vorher war ich manchmal Afrikanerin, aber ich wusste nicht, was das heißt, weil mir die ganze Kultur und das Selbstverständnis gar nicht mitgegeben wurde. Dann habe ich angefangen einen Blog zu schreiben. Ich habe irgendwann einen Eintrag darüber gemacht, wie das für mich ist, Schwarz und adoptiert zu sein und wie ich doppeltes Othering erfahren habe oder mich selbst doppelt geothert habe. So viele Leute haben darauf geantwortet und gesagt, „Oh mein Gott, mir geht es genau so“ oder „Oh, kannst du noch einen Eintrag dazu schreiben?“.
Jede Begegnung, auch wenn das adoptierte Menschen sind, die meine Geschichte oder meine Auffassung von Adoption nicht teilen. Es ist immer so, dass ich etwas daraus mitnehme. Ich bin sehr dankbar über jede Begegnung, die mir den Horizont erweitern kann, weil ich auch nicht alles weiß oder auch nicht alles gelesen habe und es so viele Nischen gibt.
Auf jeden Fall auch die Leute, die mir von Anfang an zugesprochen haben, dass sie mehr hören wollen und vor allem, dass sie sich darin wiedersehen. Ich glaube, es wird sich nicht ändern, dass das der Hauptteil meiner Arbeit ist: Dass ich für alle adoptierten Menschen und vor allem für Schwarze Menschen in weißen Familien eine Stimme sein möchte , (biologisch oder adoptiert), die selber entweder nicht über Rassismus, Adoption und ihre Probleme mit dem einen oder anderen sprechen können oder wollen oder Angst haben darüber zu sprechen. Das ist auf jeden Fall mein größter Ansporn.
Mir war das immer wichtig, weil ich von Anfang an wusste, dass ich eine Familie in Gambia hab. Als Kind war es für mich sehr schwer zu vereinbaren, dass ich hier bin und dort eine Familie habe. Es war für mich immer klar, dass ich sie unbedingt kennenlernen muss. Ich hatte ein oder zwei Fotos von meiner Mutter in meinem Album und wusste deswegen auch: „Oh mein Gott, also diese Person hat existiert“. Ich wusste, dass wir uns ähnlich sehen.
Die Suche nach meiner biologischen Familie ging über ganz viele Wege. Ich habe alles in meinen Adoptionsakten. Daher wusste ich, wer die Adoption durchgeführt hat. Ich wusste, wo meine Familie gewohnt hat und hatte Fotos von meinen Familienmitgliedern. Das war für mich immer sehr real, dass ich eine Familie habe. Ich wusste, da wohnen die, so sieht deren Küche aus, diese Kleidung haben sie an. Deswegen war es für mich sehr wichtig. Diese Trennung war für mich als Kind sehr schwer. Heute habe ich die Familienmitglieder in meiner Familie sehr zu schätzen gelernt. Diese Verbundenheit, die ich gesucht habe, war für mich immer sehr wichtig.
Ich persönlich finde es sehr kritisch, wenn man die Namen von einem adoptierten Kindern ändert. Ich finde das dehumanisierend. Vor allem weil transracial Adoptionen aus der Sklavenzeit kommen und man da die Namen der Sklav*innen und der Kinder, die einem geschenkt wurden, geändert hat. Das war eine Praxis, die gezeigt hat, das ist jetzt meins und das ist für mich. Wenn du adoptiert wirst , wird der Geburtsname in den Namen geändert, den deine Adoptivfamilie haben will und dein Geburtsname wird gestrichen. Sogar die Geburtsurkunde wird dann oft mit den Namen der Adoptiveltern versehen und die biologischen rausgestrichen.
Aus westlicher Sicht kann ein Kind in Afrika nicht happy sein, weil es nicht dies und jenes hat. Es ist für weiße Menschen oder für Leute in Europa grundsätzlich absolut utopisch, dass Leute in Afrika oder vor allem Kinder in Afrika glücklich sein könnten oder das bekommen könnten, was sie brauchen.
Es gibt sehr viele Adoptionsvermittlungsstellen, die nur für Auslandsadoption zuständig sind und damit werben. Dann haben die da Buschhütten, die mit Stroh und Lehm bedeckt sind und ganz klar kolonialistische, antiafrikanische Ideen, die da verkauft werden, die Leute, weiße Leute, dazu anregen sollen, diese Kinder da wegzuholen. Wenn es aber nur um das Kind ginge, dann würde man sich darum bemühen, dass das Kind in seiner Kultur, bei seiner Familie, mit seinen Werten in seiner gewohnten Umgebung, sowohl geographisch als auch kulturell, aufwachsen kann. Dann würde man sein Geld benutzen, damit das Kind dableiben kann. Man würde das Kind nicht verschiffen wie eine Couch und dann sagen: „Das ist meins!“ Namen ändern, ja und? Für die wenigsten Leute ist es Plan A zu adoptieren. Meistens ist es so, dass Leute adoptieren, weil sie selber keine Kinder bekommen können. Das soll überhaupt nicht negieren, dass da ein Schmerz hinter ist oder, dass Adoptionen auch gut ausgehen können. Trotzdem muss man sich fragen, wie ethisch vertretbar so eine Adoption aus dem Globalen Süden ist.
Fragt Euch: Warum wollt ihr adoptieren? Bei Menschen, die außerhalb des Landes, vor allem aus dem globalen Süden adoptieren: Fragt eure Adoptionsagentur, wo diese Kinder herkommen. Wer stellt sicher, dass diese Kinder tatsächlich adoptierbar sind? Wer stellt sicher, dass es nicht irgendeine andere Möglichkeit gibt, dieses Kind zu supporten, außer es hierher zu holen? Wer stellt sicher, dass Adoption die letzte Instanz ist?
Ganz oft kommen Adoptiveltern zu mir und sagen: „Naja, wir wussten das ja nicht und wir wissen auch nicht, woher das Kind kommt.” Ich sage dann: „Das ist eine Art von Selbstschutz, dass du dich das nicht gefragt hast. Du wolltest es nicht wissen. Denn dann könnte es heißen, dass deine moralischen Werte dem widersprechen was du willst!“
Fotos: China Hopson
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